Haben Sie’s streng?
Von dem Lateinischen stringere (zusammendrücken) kommt das Wort Stress. Es bezeichnet etwas Strenges und Anstrengendes. Aus dem Altfranzösischen “estrece” (Enge), taucht das Wort Stress ab dem XV Jahrhundert in der englischen Sprache auf und bedeutet Hilflosigkeit (distress). Später übernahmen Bauingenieure das Wort, um den Druck, dem gewisse Metallstücke ausgesetzt wurden, zu beschreiben. 1956 beschreibt Hans Selye “ein allgemeines Anpassungssyndrom” als Folge von Stress, das in drei Phasen aufgebaut ist: Alarmreaktion, Widerstands- und Erschöpfungsphase.
Akuter Stress
In einer akuten Situation (Kampf, Gefahr,…) ordnet das Gehirn eine sofortige Ausschüttung von Hormonen an, die dazu dienen, die nötigen geistigen und körperlichen Leistungen zu erbringen. Die bekanntesten sind:
- Adrenalin (und Noradrenalin) macht Körper und Geist super fit für die höchsten Leistungen (“Kampf oder Flucht”): höchste Konzentration, schneller Puls, Muskelndurchblutung, breite Atmung.
- Kortison sichert den Nachschub von Energie und blockiert die Entzündungsprozesse.
- Serotonin unterstützt die Stimmung.
- Endorphin betäubt Ängste und Schmerzen.
Eine normale Reaktion in einer anormalen Situation
Stressreaktionen sind keine pathologischen Symptome. Sie sind normal. Doch wenn der Stresszustand weiter besteht, können solche Reaktionen Probleme verursachen: höherer Puls, Schwitzen, Durchfall., chronische Müdigkeit, usw…. Durch die alternierende Stimulation des Sympathikus (Flucht und Kampf Reaktion) und des Parasympathikus (sein Gegenpole) wird die Person zwischen Erregung und Kollaps hin-und hergeschaukelt. Langzeitig kann das Kortison das Immunsystem gefährlich schwächen. Die Endorphine können eine chronische Apathie oder Gleichgültigkeit verursachen.
Guter Stress …
Unter Stress können wir Leistungen bringen, die im normalen Zustand unmöglich wären. Kraft, Mut, Ausdauer, Schnelligkeit, Konzentration werden massiv erhöht. Müdigkeit und Schmerz verschwinden. Wer möchte auf den Stress des Abenteuers, der Verliebtheit, der Abfahrtsaufregung verzichten!
und böser Stress …
Leider macht unser Überlebenssystem keinen Unterschied zwischen einer realen Gefahr ( z.B. Krieg, Überfall,…) und dem Stress des modernen Lebens ( Lärm, Umweltverschmutzung, Überstunden, Familienstress,.. ). Unser Körper reagiert bei diesen wiederholten Schikanen und Belästigungen als ob es um Leben und Tod gehen würde. Es kann vorkommen, dass der Körper im Alarmzustand bleibt, obwohl die reale Gefahr längst vorbei ist. So wie im Fall des Posttraumatischen Belastungsstresses.
Akute Reaktionen
Nach einem kritischen Ereignis (Katastrophe, Vergewaltigung, Folter,…) werden normalerweiseüber 90% der Leute folgende spezifische Reaktionen entwickeln:
- Wiedererleben mit eindringlichen und lebhaften Erinnerungen: “Flashbacks, Albträume, “als ob es heute wäre …
- Vermeidung nach außen (Orte, Situationen, Gespräche) oder nach innen (Gedanken, partielle Amnesie, Interessenverlust).
- Übererregung (hyperarousal): vegetative Überregbarkeit, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen, Drang nach Bewegung, Gewaltausbrüche (“Tiger im Käfig”), Reizbarkeit.
Es ist sehr wichtig für die Überlebenden und ihre Familie zu verstehen, dass diese “akute Belastungsreaktion” normal ist. Die Betroffene brauchen Informationen, Unterstützung und Techniken (wie Atemtechnik), um das innere Sicherheitsgefühl wieder finden zu können. So lässt sich ein späteres Vermeidungsverhalten vorbeugen. Defusing (sofort) und Debriefing(nach 3 Tagen) sind in diesem Stadium eine nützliche Maßnahme.
Während des Schocks tritt oft ein intensives Gefühl von Lähmung und Machtlosigkeit ein. Um dem Unerträglichen zu entweichen, kann eine bedrohte Person automatisch zu einem natürlichen Schutzprogramm greifen – die Tiere kennen das auch: sie schalten komplett ab oder “verschwinden”. Diese Trennung heißt Dissoziation: gewisse Zeichen (leerer Blick, Sprachlosigkeit,…) oder Beschreibungen (“ich kam aus meinem Körper, ich bin neben mir, ich weiß nichts mehr von dem,…) sind gerade nach einem Schock oft zu sehen oder zu hören. Je stärker die Dissoziation, desto besser ist die Psyche unmittelbar geschützt. Langfristig erschwert sie eindeutig die Rückkehr zum normalen Leben: gewisse Menschen haben Schwierigkeiten sich selbst zu spüren oder sie haben das Gefühl, in einer fremden Welt zu leben.